Start für 182 Projekte und neues Thema des Jahres 2025
182 deutsch-tschechische Projekte können an den Start gehen. Am Mittwoch hat der Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds den Betrag für das zweite Quartal 2024 bewilligt und 1,2 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Jetzt können die Projekte-Tandems, die je aus einem deutschen und einem tschechischen Projektpartner bestehen, loslegen und ihre Ideen umsetzen. Die meisten Anträge kamen aus den Bereichen Kultur, Bildung und Schulaustausch. Beliebt waren außerdem die Sonderförderprogramme zum technischen Fortschritt (Thema des Jahres 2024), zum 100. Todestag Franz Kafkas und zum Deutsch-Tschechischen Jahr des Sports.
Rita Hagl-Kehl und Jindřich Fryč, die gemeinsamen Vorsitzenden des Verwaltungsrats, sind sich einig: „Die Flut von interessanten Projekten ebbt nicht ab, eher im Gegenteil. Über 26 Jahre hinweg ist ein tragfähiges Netzwerk deutsch-tschechischer Bindungen entstanden, und es kommen immer weitere hinzu. Es überrascht uns jedes Mal, welche Ideen und Initiativen die Menschen auf beiden Seiten der Grenzen einbringen und wie sehr ihnen an der partnerschaftlichen Zusammenarbeit gelegen ist.“
Auf der Verwaltungsratssitzung in den Räumen der Prager Jüdischen Gemeinde präsentierte der Zukunftsfonds sein Thema des Jahres 2025, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: „Wie sagt man heute ‚never again‘?“ Was sie zu der Wahl des Themas bewogen hat, erklären Petra Ernstberger und Tomáš Jelínek, die Geschäftsführer des Fonds:
„Ansteigender Rechtsextremismus und Populismus, wachsender Nationalismus und Xenophobie, eine zunehmende Welle von Antisemitismus, Übergriffe auf Politiker – es scheint, als seien die Werte und der Konsensus des Erinnerns im Sinne von „Nie wieder Nazi-Herrschaft, nie wieder Krieg“ in Deutschland und in Gesamteuropa in der Defensive. Mit dem Ziel, diesen unheilbringenden Tendenzen entgegenzuwirken, ruft der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds folgendes Thema des Jahres 2025 aus: „Wie sagt man heute ‚never again‘?“
Auswahl der aktuell bewilligten Projekte im Juni 2024:
Deutsch-tschechische Koproduktion für das Theaterfestival TRIGGER – Nürnberger Festival für Politik und Menschenrechte in Theater und Performance
Misstrauen gegenüber Politik und Autoritäten, steigende soziale Ungleichheit und Frustration, vertiefte Verunsicherung, extremistische Tendenzen, Fake News, Gefühle von Bedrohung und ähnliche negative Erscheinungen infizieren die Atmosphäre in Tschechien wie in Deutschland. Müssen wir um unsere Demokratie fürchten? Kann eine Gesellschaft heterogener Individualitäten sie beschützen? Die geplante Vorstellung des Prager Dokumentartheaters Archa und des Nürnberger Theaters Zwangsvorstellung sucht ein Modell für ein zukünftiges Zusammenleben, basierend auf Respekt, Frieden und Sicherheit. Sie wird von deutschen und tschechischen Künstlern während mehrerer Begegnungen ab September bis zum Jahresende gemeinsam entwickelt. Die Premiere ist für das Nürnberger Festival für Politik und Menschenrechte Trigger im Februar 2025 angesetzt.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 5 000 Euro
Brücken bauen durch jüdische Geschichte
In Europa leben bereits mehrere aufeinanderfolgende Generationen in Frieden. Man könnte meinen, dass die historische Erfahrung aus dem letzten Weltkrieg sie nicht mehr betrifft. Deren Reichweite zu vermitteln und einen Bezug zu aktuellen Äußerungen nationalistischer Feinseligkeiten bzw. Übergriffe herzustellen, haben sich deutsche und tschechische Lehrer zur Aufgabe gemacht. 25 Lehrerinnen und Lehrer treffen sich Mitte September in Prag und in der Gedenkstätte Theresienstadt, um gemeinsam nach Herangehensweisen zu suchen, wie man Schülerinnen und Schülern Informationen zum Holocaust, zu den Ursachen des Antisemitismus und zur Geschichte des jüdischen Volkes vermitteln kann. Dabei liegt der Fokus auf der Geschichte weiblicher Überlebender der Konzentrationslager, deren Perspektiven und Schicksale bisher übergangen wurden. Ergebnis des Projekts Brücken bauen durch jüdische Geschichte wird die Präsentation der Ausstellung „HerStories“ sein, sowie die Erarbeitung konkreter Aktivitäten zur Einbeziehung des Themas in den Unterricht. Beides wird auf den Webseiten der Projektpartner, Centropa – Zentrum für jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts in Hamburg und Institut der Theresienstädter Initiative in Prag,veröffentlicht und damit anderen Lehrkräften zur Verfügung gestellt.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 4 500 Euro
Gemeinsam forschen in MINT-Fächern
Digitale Technologien begleiten uns auf Schritt und Tritt, wir tragen sie in der Tasche herum, wir nutzen sie bei der Arbeit, in der Schule und privat. Durch sie dringt immer intensiver künstliche Intelligenz zu uns durch. Wie weit möchten wir sie an uns heranlassen und wo wollen wir sie nicht mehr mit dabeihaben? Wo liegen die „Grenzen des Fortschritts?“ Und wo sind unsere Grenzen?, so lautet unser Thema des Jahres 2024. Für hundert Schülerinnen und Schüler zweier Schulen aus Karlovy Vary (Karlsbad) und einer naturwissenschaftlich ausgerichteten Schule im sächsischen Markersbach war dies Anlass zum Nachdenken. Autonome Züge, intelligente Städte und die Vor- und Nachteile virtueller Realität zeigen nur, dass der technologische Fortschritt ein wirklich brennendes Thema ist. Die Jugendlichen treffen sich insgesamt acht Mal beiderseits der Grenze im Erzgebirge, dazwischen bleiben sie online miteinander in Kontakt und verständigen sich auf Tschechisch bzw. Deutsch, in ihrer jeweiligen Zweitsprache. Die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Forschungen, ihre 3-D-Modelle oder Roboter stellen sie auf einer Ausstellung in beiden Schulen vor.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 12 500 Euro
Olympia-Festival Paris 2024 am See von Most
Mitten in den Ferien beginnen die Olympischen Sommerspiele in Paris. Wem es nicht ausreicht zu Hause vor dem Fernseher mitzufiebern, der kann die Atmosphäre der Spiele am eigenen Leib erleben, auf dem Olympia-Festival am See von Most im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Das Projekt des Tschechischen Olympischen Komitees und des Deutschen Olympischen Sportbundes erhält im Rahmen des Programms Gemeinsam in Bewegung – Deutsch-Tschechisches Jahr des Sports eine bedeutende Förderung durch den Zukunftsfonds. In idyllischer natürlicher Umgebung wird nicht nur ein vielfältiges Sport- und Kulturprogramm auf die Beine gestellt, sondern es gibt auch die Gelegenheit, an die 50 Disziplinen auszuprobieren. Dabei verpassen die Besucherinnen und Besuchern nichts, sie können auch von dort aus in live-Übertragung die Leistungen der Sportlerinnen und Sportler während der Olympiade in Paris verfolgen. Auch ehemalige Olympiasiegerinnen und -sieger sind vor Ort, zum Beispiel Barbora Špotáková, zweifache Olympiasiegerin im Speerwerfen und Schirmherrin des Festivals. Ziel ist es, junge Menschen aus beiden Ländern für gemeinsame sportliche Aktivitäten zu begeistern, bei denen sie einander kennen lernen, ihre Sprachkenntnisse erproben und sich zu weiteren Treffen jenseits der Spielfelder verabreden können. Gleichzeitig soll das Festival zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Sportclubs und -verbänden inspirieren.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 360 000 Kč
Games For Friends Písek 2024
Ein größeres Ereignis im Rahmen der Sonderausschreibung „Gemeinsam in Bewegung“ sind die viertägigen Spiele „Games for Friends“ für junge Sportlerinnen und Sportler Ende August. Veranstalter sind die drei Partnerstädte Písek, Wetzlar und Veľký Krtíš in der Slowakei. Über 160 Kinder werden im Fußball, Basketball, Handball und Schwimmen ihre Kräfte messen. Für das Begleitprogramm, das nähere Begegnung und besseres Kennenlernen ermöglichen soll, sorgt die Sladovna Písek, eine Organisation, die auf innovative Lern-Angebote für Jugendliche durch Spiel, Kunst, Kultur und Sport spezialisiert ist.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 200 000 Kč
Habibi Kiosk Praha – Kafka Edition
Kultur im Rahmen der Sonderausschreibung Kafka ’24
Der Habibi Kiosk entsteht im Zentrum Prags, Passanten können dort Pause machen, deutsche und tschechische Künstlerinnen und Künstler kennenlernen und über das Leben, das Werk und das Denken Franz Kafkas diskutieren. Ein Treffpunkt, Ort des Dialogs, der Durchdringung und des Teilens, inspiriert von zwei Themen und Werken Kafkas, dem Prozess und der Verwandlung. Einem Verwandlungsprozess wird unter den Händen einer Bühnenbildnerin und eines Graffiti-Künstlers das gesamte Interieur des Kiosks unterzogen. Auch Besucher können das am eigenen Leib erleben, wenn sie sich in die Hände einer Friseurin oder Kostümbildnerin begeben. Und vielleicht werden dabei auch noch Ideen dazu, wie eine städtische Gemeinschaft unter aktiver Beteiligung der Einwohner verschiedenen Alters, Nationalität, Kultur und Glauben aussehen kann, einer (Ver)Wandlung unterzogen. Eines der Ziele der Künstlerinnen und Künstler ist es, Kafkas Vermächtnis mit der Gegenwart zu verbinden. Der Habibi-Kiosk ist ein Projekt der Münchner Kammerspiele. Das Ensemble eröffnet seine Kafka-Edition in Prag vom 2. bis zum 9. November im Rahmen des Theaterfestivals deutscher Sprache, das vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds jedes Jahr gefördert wird, in diesem Jahr mit 110 000 Euro.
Förderung durch den Zukunftsfonds im Rahmen der Sonderausschreibung Kafka ’24: 10 000 Euro
Ausstellung von Rosa Loy & Neo Rauch in der Regionalgalerie Liberec (Reichenberg)
„Malen ist für mich die Fortsetzung des Traums mit anderen Mitteln“, sagt Neo Rauch, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Maler Deutschlands. Mit seinem einzigartigen Stil, der sich als mystischer Realismus beschreiben lässt, hat er sich auch in der internationalen Kunstszene einen Namen gemacht. Seine großformatigen, expressionistischen Leinwände mit Comic- und Pop-Art-Elementen erinnern dagegen an amerikanische Werbekampagnen aus den 1950er Jahren. Aus seinen persönlichen Erfahrungen im kommunistischen Osten Deutschlands heraus ist der Protagonist der Neuen Leipziger Schule zu einem der anerkannten Repräsentanten der modernen Kunst im zentraleuropäischen Raum geworden. In Tschechien wurden seine Arbeiten erstmals 2007 durch die Galerie Rudolfinum vorgestellt. Nun hat die Regionalgalerie Liberec 40 Bilder und 70 Zeichnungen überwiegend aus der letzten Dekade für eine Doppelausstellung mit seiner Frau ausgewählt, die als Künstlerin in ähnlichem Stil arbeitet. In den einzigartigen Räumen des ehemaligen Stadtbades, eines rekonstruierten Architekturdenkmals aus der Zeit um 1900, wird ab Oktober für ein Vierteljahr lang eines der meisterwarteten Ereignisse der diesjährigen Kunstsaison Eröffnung feiern: Neo Rauch und seine Frau Rosa Loy kommen nach Liberec und nehmen persönlich nicht nur an öffentlichen Gesprächen teil, sondern beteiligen sich auch an der Schaffung einer neuen Plattform, die Begegnungen von deutschen, tschechischen und polnischen Künstlern fördern soll. Dabei handelt es sich um eine Initiative des Galeriedirektors und Kunsthistorikers Filip Suchomel, der die Galerie in Liberec zu einem Kulturzentrum der Euro-Grenzregion Nisa machen möchte.
Förderung durch den Zukunftsfonds: 305 000 Kč